Lösungen: Smart beleuchtet

Auch bei der öffentlichen Beleuchtung gilt: Weniger ist mehr. Moderne LEDs eröffnen dazu ganz neue Möglichkeiten. In Kombination mit intelligenten Steuerungssystemen lässt sich das Licht bedarfsgerecht regulieren. So spart «Smart Public Lighting» nicht nur Strom, sondern trägt auch zur Reduktion der Lichtemissionen bei.

Text: Nicolas Gattlen

Die Seestrasse in Richterswil: Eine neue LED-Beleuchtung passt die Lichtverteilung je nach Witterung an.
© Manfred Oberholzer

Sobald es eindunkelt, wird auf der Niederhaslistrasse in Regensdorf (ZH) bis zur Abschaltung des Lichts um 1 Uhr jedes Fahrzeug von einem «fliegenden Lichtteppich» begleitet. Das Licht eilt dem Fahrzeug stets um etwa 80 Meter voraus und wird hinter ihm wieder auf 30 Prozent der Leistung heruntergedimmt. Der Vorteil dieser dynamischen Beleuchtung: Sie spart gegenüber einer starren LED-Beleuchtung nochmals etwa ein Drittel Strom ein. «Vor allem aber lassen sich damit unnötige Lichtemissionen vermeiden», erklärt Jörg Haller, Leiter Öffentliche Beleuchtung bei den Elektrizitätswerken des Kantons Zürich (EKZ). «Das Licht wird nur dort eingesetzt, wo es gerade gebraucht wird.»

Ein sorgfältigerer Umgang mit Licht ist dringend nötig. Einst ein Luxusgut, wird das billig gewordene Licht heute häufig verschwenderisch eingesetzt. Oft brennt es zu intensiv oder zu Zeiten und an Orten, wo es keinen Zweck erfüllt. Problematisch ist auch das ungenutzt nach allen Seiten abstrahlende Licht. Bei Dunst, Nebel oder niedriger Wolkendecke reflektiert es an den Wassertröpfchen in der Luft und lässt über den Siedlungsgebieten riesige sogenannte Lichtglocken entstehen, die Zugvögel verwirren können.

Eine einfache und wirksame Methode, um die Lichtverschmutzung zu reduzieren, ist die Nachtabschaltung der Strassenbeleuchtung. Langjährige Erfahrungen etwa in Baden oder Brugg im Kanton Aargau zeigen, dass diese Massnahme nicht auf Kosten der Sicherheit geht. Auch eine zeitlich abgestufte Absenkung der Beleuchtung ist wirksam: In Belp (BE) beispiels­weise wird die mit modernen LED ausgestattete Strassenbeleuchtung um 22 Uhr auf die Hälfte und um Mitternacht auf einen Fünftel der maximalen Beleuchtungsstärke heruntergedimmt.

Präsenzgesteuert und vernetzt

«LED eröffnet ganz neue Möglich­keiten», sagt David Kretzer, Spezialist für Lichtemissionen beim BAFU. Denn LED-Licht lasse sich sehr präzise lenken. Zudem könne man LED-Leuchten stufenlos dimmen und in Sekundenbruchteilen ein- und ausschalten. «In Kombination mit intelligenten Steuerungssystemen ist es so einfach möglich, das Licht gezielt und bedarfsgerecht einzusetzen», so Kretzer. Technisch ausgereift und seit Jahren erprobt ist die sogenannte präsenzgesteuerte Beleuchtung. Nicht nur in privaten Hauseingängen oder Treppenhäusern, sondern auch auf zahlreichen öffentlichen Schweizer Bahnhöfen, Parkplätzen, Velo- und Gehwegen wird die Beleuchtung heute über Bewegungsmelder gesteuert. Auch Strassen lassen sich dynamisch beleuchten: Im Jahr 2012 nahmen die St. Galler Stadtwerke die schweizweit erste präsenzgesteuerte Beleuchtung einer Quartierstrasse in Betrieb. 2014 folgte eine weitere Anlage mit Radar-Detektoren der zweiten Generation. Diese können verschiedene Verkehrsteilnehmer wie etwa Fussgänger von Autos unterscheiden und das Licht bedarfsgerecht steuern.

Die grösste dynamische Beleuchtungsanlage der Schweiz betreibt der Kanton Bern. «Mittlerweile werden rund die Hälfte der 25 000 Strassenleuchten auf den Berner Kantonsstrassen über ‹Kundenkontakt› gesteuert», sagt Stephan Breuer, stellvertretender Vorsteher des kantonalen Tiefbauamts. Jedes Jahr kämen etwa 1500 neue smarte Leuchten hinzu. Das Berner System funktioniert ähnlich wie jenes der EKZ in Regensdorf: Wenn sich keine Nutzer auf der Strasse befinden, werden die Leuchten in einer gedimmten Grundeinstellung betrieben. Erst wenn ein Auto oder Velo von einem Infrarot-Sensor einer Leuchte erfasst wird, geht das Licht an. Der Clou: Die Leuchten sind per Funk miteinander vernetzt. Jede Leuchte schickt die Kontaktmeldung an die nächste, die sogleich Licht spendet. So bildet sich ein Lichtteppich, der den Fahrzeugen vorauseilt.

Das verkehrsbeobachtende Licht

Von dieser Änderung der Lichtverhältnisse bekommen die Fahrzeuglenkenden kaum etwas mit, weil sie sich stets im Lichtkegel befinden. Doch auf einer verkehrsreichen Strasse in einem Wohngebiet kann das ständige rasche Aufleuchten die Anwohnerinnen und Anwohner stören. Dieses Problem lässt sich mit einer volumenbasierten Beleuchtungssteuerung umgehen. Dabei messen optische Sensoren das Verkehrsaufkommen und übermitteln die Daten an eine Zentrale. Von dort aus wird über Funk die Lichtintensität der Strassenleuchten an das Verkehrsvolumen angepasst. Nimmt der Verkehr zu, wird das Licht langsam und kaum wahrnehmbar hochgedimmt. Das Tiefbauamt des Kantons Bern hatte eine entsprechende Testanlage bereits 2013 in Betrieb genommen – als Europapremiere. Ab 2015 wurde dann ein ähnliches System auch von den EKZ auf einer zwei Kilometer langen Strecke in Urdorf (ZH) betrieben.

«Dieses verkehrsbeobachtende Licht hat sich bewährt», sagt Jörg Haller von den EKZ. Es wird nun auch an anderen Orten eingesetzt, primär an viel befahrenen Strassen. Eine aufwendige Messung mittels Verkehrskameras oder Radarsensoren sei nicht in jedem Fall nötig, ergänzt er. Die Steuerung lasse sich vielerorts auch zuverlässig anhand von Verkehrsstatistiken realisieren. «Im Prinzip kann man für jeden Strassenzug ein eigenes Dimmprofil erstellen und in der Steuerzentrale einprogrammieren.»

Beschleunigte Entwicklung

Dass eine Strasse je nach Verkehrsaufkommen unterschiedlich stark beleuchtet werden darf, ist relativ neu. Möglich wurde dies ab 2016 dank einer Anpassung der Norm für Strassenbeleuchtung. «Die Revision hat das ‹Smart Public Lighting› massgeblich vorangetrieben», bestätigt Beleuchtungsexperte Haller. Einen weiteren Entwicklungsschub erwartet er von der fortgeschrittenen Standardisierung der Schnittstellen zwischen Leuchte und Steuerung. Denn noch vor ein paar Jahren waren die Leuchten und Steuerungen der verschiedenen Hersteller nicht kombinierbar. «Das barg für die Gemeinden beträchtliche Risiken», sagt Haller. «Hatten sie sich für ein System entschieden, waren sie über die gesamte Lebensdauer der Leuchten daran gebunden.» Inzwischen aber sind frei zugängliche Schnittstellen verfügbar, über die sich verschiedene Leuchten und Steuerungen miteinander verbinden lassen. So ist man flexibler und kann bei Bedarf problemlos umrüsten.

Auch die Technologie der Leuchten schreitet rasant voran. In Richterswil (ZH) installierten die EKZ Ende 2021 eine Pilotanlage mit LED-Leuchten, die über eine «Light Switch»-Funktion die Lichtverteilung ändern können. Sensoren erfassen dort die Witterungsverhältnisse, um bei Regen für eine gleichmässigere Ausleuchtung zu sorgen. Auch Leuchten mit «Colour Switch»-Funktion gibt es auf dem Markt. Diese können zwischen verschiedenen Lichtfarbwerten wechseln. Gerade in naturnahen Gebieten eröffnen sich damit interessante Möglichkeiten zum Schutz der Fauna. An einem Uferweg in Thalwil am Zürichsee testen die EKZ derzeit ein Beleuchtungssystem, das stufenlos von warmweissem Licht (3000 Kelvin) auf amberfarbenes Licht (2000 K) wechselt und dadurch weniger Insekten anzieht.

Digital gesteuerte Strassenleuchten könnten dereinst gar zur Basisinfrastruktur für Smart Cities avancieren. In Wädenswil (ZH) hat das Schweizer Technologieunternehmen Elektron zusammen mit den EKZ und den SBB 2017 einen ersten Mast zu einem multifunktionalen «Smart City Tower» erweitert. Ein Infrarotsensor am Mast misst das Verkehrsaufkommen und steuert die Licht­intensität von zwölf Leuchten an der Seestrasse. Zudem liefert der Mast Strom für Elektroautos, stellt freien Internetzugang (WiFi) bereit und sammelt Daten zu Lärm und Feinstaub. «Moderne digitale Strassenleuchten bieten dank den standardisierten Schnittstellen und der Vielzahl an flexibel einsetzbaren Sensoren ein grosses Potenzial für das Sammeln von Daten», sagt Peter Schwägli, Geschäftsführer des Bereichs Smart City und Licht bei Elektron. «Smart Cities können diese Daten künftig nutzen, um den Ressourcenverbrauch zu minimieren und das Wohl von Menschen, Tieren und Pflanzen zu verbessern.»

Das Paradoxon beim Energiesparen

Eine LED-Leuchte verbraucht im Vergleich zu herkömmlichen Leuchtmitteln bis zu 90 Prozent weniger Strom. Just diese Eigenschaft aber verleitet dazu, die Beleuchtungen auszubauen oder stärkeres Licht einzusetzen, womit ein Teil der gewonnenen Energieeffizienz wieder zunichte gemacht wird. Dieses Phänomen nennt sich «Rebound-Effekt». Das deutsche GeoForschungsZentrum hat diesen Effekt jüngst auf globaler Ebene bestätigt. Die Daten dazu lieferte ein Strahlungsmessgerät, das seit 2011 mit einem Satelliten um die Erde kreist. Die Forscher können so zeigen, dass sowohl die Intensität der künstlichen Beleuchtung als auch die beleuchteten Flächen seit 2012 weltweit um 2,2 Prozent pro Jahr zugenommen haben. Studienleiter Christopher Kyba vermutet, dass die Zunahme der Helligkeit nicht primär auf das Konto der Strassenbeleuchtung geht, sondern vielmehr auf einen Anstieg bei privat installierten Leuchten zurückzuführen ist. Er hält es für «wahrscheinlich, dass die energieeffizienten LED-Leuchten dazu führen, dass immer mehr Private ihren Garten oder die Hausfassade erhellen».

Besonders ausgeprägt ist der Rebound-Effekt bei der Innenbeleuchtung, die in der Schweiz rund 85 Prozent der Gesamtbeleuchtung ausmacht. Gemäss Stefan Bormann, Geschäftsstellenmitglied der Schweizer Licht Gesellschaft, werden derzeit bei Sanierungen die Beleuchtungsstärken an normative Vorgaben angepasst – etwa in punkto Sicherheit oder Arbeitskomfort. Dadurch werden sie teilweise erhöht anstatt reduziert, beispielsweise um Treppenhäuser oder Industriehallen stärker zu beleuchten.

«Mehr Licht allein führt nicht zu weniger Delikten»

Drei Fragen an Tillmann Schulze*, Spezialist für Sicherheit und Kriminalprävention im städtischen Umfeld.

Herr Schulze, wie wichtig ist Licht für die Sicherheit im öffentlichen Raum?
Man muss unterscheiden zwischen dem subjektiven Sicherheitsempfinden und der objektiven Sicherheit, die
sich an der Zahl der Delikte bemisst. Wir Menschen fühlen uns meist wohler, wenn es hell ist. Das haben wir von unseren Vorfahren: Über viele Jahr­tausende mieden die Menschen die Dunkelheit, denn in deren Mantel konnten unangenehme Dinge geschehen. Dass die Beleuchtung auch die objektive Sicherheit erhöht, ist hingegen umstritten. Bis heute gibt es keine wissenschaftlichen Nachweise, dass mehr Licht allein zu weniger Delikten führt.

Mehr Licht stärkt aber das Sicherheitsgefühl.
Nicht unbedingt. Licht kann zwar dazu führen, dass gewisse Bevölkerungsgruppen, insbesondere Frauen und ältere Leute, öffentliche Räume als sicherer wahrnehmen. Doch schlechtes Licht kann auch das Gegenteil bewirken. Wird etwa ein Weg durch einen Park hell beleuchtet, während das Umfeld im Dunkeln bleibt, fühlen sich Personen sogar noch unwohler als in einem gänzlich dunklen Park. Der sogenannte Bühneneffekt tritt ein: Man selbst ist für das Umfeld leicht zu erkennen, das Umfeld bleibt jedoch verborgen.

Wie also muss Beleuchtung sein, damit sich die Menschen sicher fühlen?
Ein hohes Sicherheitsempfinden entsteht vor allem dann, wenn auch die soziale Kontrolle sichergestellt ist. Eine gute Beleuchtung kann diese Kontrolle fördern, indem sie Personen nicht blendet und potenzielle Fluchtwege aufzeigt. Das ist in vielen Fällen auch mit reduziertem Licht möglich. Entscheidend ist eine der jeweiligen Situation angepasste Beleuchtung.

*Tillmann Schulze ist Leiter Urbane Sicherheit + Bevölkerungsschutz bei der EBP Schweiz AG in Zürich, Dozent und Berater für städtebauliche Kriminal­prävention.

Fazit

Dynamische Beleuchtung schaltet sich nur bei Bedarf ein und leuchtet nur so hell wie nötig. Digitale Strassenleuchten können auch Daten sammeln und Akkus aufladen.


Städtische «Plans Lumière»

Geplant: Der neue Beleuchtungsplan soll einen Vollmondeffekt herbeiführen: Das gleichmässige Licht sorgt für eine subtile Raumaufhellung und erhöht das Sicherheitsempfinden.
Aktuell: Die Grosse Schanze in Bern: Wegen der starken Hell-Dunkel-Kontraste fühlen sich heute viele Personen nicht sicher, es kommt immer wieder zu Delikten.

In den späten 1990er-Jahren entdeckten die Städte Basel, Zürich, Luzern und Lausanne – später auch kleinere Orte wie Frauenfeld oder Gruyère – die in Frankreich verbreiteten «Plans Lumière». Städten wie Lyon war es gelungen, mithilfe eines solchen Beleuchtungs-Masterplans den unkoordinierten Lichterwildwuchs zu regeln und das Licht in der Stadt aktiv zu gestalten. Die «Plans Lumière» zielen darauf ab, nicht mehr, sondern differenzierter zu beleuchten. Dabei geht es nicht zuletzt um Standortmarketing: Mit einer guten Lichtgestaltung lassen sich die städtebaulichen Wahrzeichen – Altstadt, Burgen, Kirchen, Alleen, Seepromenaden, Museen – hervorheben und das eher Unschöne ins Dunkle rücken.

Seit einigen Jahren werden vermehrt auch ökologische Anliegen in die «Plans Lumière» aufgenommen. Das Beleuchtungskonzept der Stadt Bern etwa sieht vor, dass in allen städtischen Aussenräumen sukzessive nur noch Leuchtmittel mit warmweissem Licht (max. 3000 K) und wenig Blauanteil eingesetzt werden – zum Wohl der Menschen, Tiere und Pflanzen. Eine konsequente Ausrichtung der Leuchten nach unten soll zudem die Aufhellung des Himmels und andere unnötige Lichtemissionen reduzieren. Schliesslich wird klar definiert, wo der öffentliche Raum beleuchtet wird und wo nicht. So bleiben etwa naturnahe Räume oder Parkanlagen ohne nächtliche Funktion dunkel.

In Bezug auf die Sicherheit lieferte ein Pilotprojekt auf der Grossen Schanze wichtige Erkenntnisse. In diesem Perimeter zwischen Bahnhof, Universität und Länggassquartier mit seinen zahlreichen dunklen Ecken fühlen sich viele Passantinnen und Passanten nachts unsicher. Ausserdem kommt es dort immer wieder zu Delikten. Wie also ist der Grundsatz «so wenig wie möglich beleuchten» mit Sicherheit vereinbar? «Fälschlicherweise wird Sicherheit oft mit mehr Licht in Verbindung gebracht», sagt Eva Krähenbühl, Projektleiterin des Beleuchtungskonzepts der Stadt Bern. «Starkes Licht kann aber auch blenden oder dazu führen, dass Personen und Gesichter wegen der harten Hell-Dunkel-Kontrasten kaum zu erkennen sind.»

Das neue Beleuchtungskonzept für die Grosse Schanze sieht darum vor, dass das Licht nicht mehr auf spezifische Punkte gerichtet wird, sondern unter anderem von bis zu 8 Meter hohen Masten herab breit und mit reduzierter Intensität über das Areal gestreut wird. Damit soll eine Art Vollmondeffekt herbeigeführt werden, der es den Passantinnen und Passanten ermöglicht, Gesichter schon von Weitem zu erkennen. Auch die Lichtfarbe will man umstellen: Künftig soll ein warmweisses LED-Licht mit wenig Blauanteil für eine behagliche Atmosphäre sorgen. «Davon profitieren auch viele nachtaktive Tiere», sagt Eva Krähenbühl. «Sicherheit und Naturschutz lassen sich auf diese Weise sehr gut vereinen.»

Weiterführende Informationen

Video

Video: Elektrizitätswerke Kanton Zürich - Vorauseilendes Licht

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Letzte Änderung 28.09.2022

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