Technologien: Die wichtigsten NET-Ansätze

Die Schweiz will ihre Treibhausgasemissionen bis 2050 auf Netto-Null reduzieren. Um dieses Ziel zu erreichen, braucht es auch Negativemissionstechnologien (NET). Wir stellen 5 davon vor.

Text: Bettina Jakob

Der Weg ist klar: Will die Schweiz ihren Beitrag zum Klimaziel von Paris leisten, müssen wir weg von Kohle, Öl, Gas, Benzin und Diesel. Doch selbst wenn wir grundsätzlich keine fossilen Energieträger mehr nutzen, fallen Treibhausgasemissionen an, die nur schwer vermeidbar sind – etwa aus Landwirtschaft, Abfallverbrennung oder Zementproduktion (siehe auch S. 8). Um diese Emissionen auszugleichen, braucht es sogenannte Negativemissionstechnologien (NET), sofern die Emissionen nicht direkt an den Anlagen abgeschieden und gespeichert werden können. Methoden also, die CO2 dauerhaft aus der Atmosphäre entfernen. Die langfristige Klimastrategie des Bundesratsschätzt die Menge der Emissionen, die es aus­zugleichen gilt, auf jährlich 7 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente (Mio. t CO2eq). Nachfolgend die wichtigsten Ansätze im Überblick.

Theoretisch haben all diese NET-Ansätze beachtliches Potenzial, doch es wird sich wohl nur ein kleiner Teil davon realisieren lassen. Denn dem Einsatz von NET stehen technische, finanzielle und gesellschaftliche Hürden im Weg. Und: Um den NET zum Durchbruch zu verhelfen, braucht es die nötigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen.

Ansatz 1 - Wald bewirtschaften, Holz stärker nutzen

Da Bäume bei der Photosynthese CO2 aus der Luft absorbieren und in organisches Material umwandeln, ist der Wald ein natürlicher CO2-Speicher. Er bindet jährlich 2,5 Mio Tonnen CO2. Damit der Schweizer Wald möglichst viele schwer vermeidbare Emissionen ausgleichen kann, soll die Anpassung des Waldes an den Klimawandel mit unterschiedlichen waldbaulichen Massnahmen unter-stützt und das Holz regelmässig und nachhaltig geerntet werden. Und es gilt, die nachwachsende Biomasse in langlebigen Produkten wie Gebäuden zu verbauen. Theoretisch können so in der Schweiz negative Emissionen von rund 1 bis 2 Mio. t CO2 pro Jahr realisiert werden. Wichtig: Sollten die Holzprodukte einmal verbrannt werden, muss das CO2 abgeschieden und gespeichert werden (vgl. Ansatz 3 BECCS). Bei der CO2-Speicherung hat der Schweizer Wald Vorteile: Die Kosten sind tief, und es gibt viel bestehende Expertise in Waldbewirtschaftung und Holzverwendung. Um möglichst viel CO2 langfristig zu binden, braucht es allerdings eine hohe Nachfrage nach Schweizer Holz. 

Ansatz 2 - Boden clever nutzen, Pflanzenkohle prüfen

Boden kann Kohlenstoff aufnehmen und wieder abgeben. Der Kohlenstoff verbessert in Form von Humus den Boden und erhöht die Ernteerträge. In der Landwirtschaft sind daher Praktiken zum Eintrag von Kohlenstoff wie das Ausbringen von Gülleals Düngemittel oder das Liegenlassen von Ernterückständen längst etabliert. Verbessert man Fruchtfolgen und bearbeitet den Boden nur minimal, verbleibt zunächst mehr Kohlenstoff imBoden. Durch geeignete landwirtschaftliche Bodennutzung liesse sich Kohlenstoff risikoarm für die Böden und kostengünstig speichern. Optimistische Schätzungen gehen für die Schweiz von theoretisch maximal 2,7 Mio. t CO2 pro Jahr aus – jedoch nur während weniger Jahrzehnte und bei umsichtiger Bodenbewirtschaftung, bis der Boden mit Kohlenstoff gesättigt ist.

Denkbar ist auch der Einsatz von Pflanzenkohle: Die unter grosser Hitze «verkohlte» pflanzliche Biomasse ist äusserst stabil. Würde landesweit fast alle verfügbare Trockenbiomasse wie etwa Holzschnitzel als Pflanzenkohle in die Böden eingebracht oder anderweitig gelagert, könnte man theoretisch bis zu 2,2 Mio. t CO2 pro Jahr für viele Jahrzehnte speichern – bei eher moderaten Kosten. Ein grossflächiger Einsatz von Pflanzenkohle ist aber noch fraglich. Zuerst müssen die Auswirkungen auf die Umwelt langfristig untersucht werden. 

Ansatz 3 - Bioenergie nutzen, CO2 abscheiden und speichern

Bei der Verbrennung von Biomasse entsteht CO2. Wird dieses direkt am Kamin abgeschieden und gespeichert, entstehen negative Emissionen. Dieser Ansatz ist unter dem Kürzel BECCS (Bioenergy with Carbon Capture and Storage) bekannt und hat signifikantes Potenzial: Würde die gesamte nachhaltig nutzbare Biomasse der Schweiz mittels BECCS genutzt, liessen sich theoretisch 5,1 Mio. t CO2 pro Jahr abscheiden und speichern. Wegfallen würden dadurch aber andere NET-Ansätze wie Holzverwendung oder Pflanzenkohle, die ebenfalls Biomasse benötigen. Bei der Verbrennung von biogenem Kehricht hingegen gäbe es keine Nutzungskonflikte; allerdings braucht der Prozess viel Energie. Eine BECCS-Anlage existiert hierzulande noch nicht, doch die Technologie wird intensiv erforscht. Die grösste Herausforderung ist die sichere Speicherung im Untergrund – noch stehen in der Schweiz keine Stätten in Aussicht. Eine Option erscheint daher der Transport des abgeschiedenen CO2 in geologische Speicher im Ausland, wie sie etwa bald unter der Nordsee zur Verfügung stehen sollen. BECCS ist vergleichsweise teuer.

Ansatz 4 - CO2 aus der Luft filtern und im Untergrund speichern

CO2 lässt sich direkt der Atmosphäre entnehmen. Neuartige Kollektoren saugen Umgebungsluft ein und filtern CO2 heraus. Anschliessend wird es im Untergrund gespeichert. Nach diesem Prinzip funktioniert die CO2-Luftfiltrierung und Speicherung DACCS (Direct Air Carbon Capture & Storage). Die bisher grösste kommerzielle Luftfilteranlage wird von der Schweizer Firma Climeworks in Island betrieben (siehe S. 23). Global gesehen, hat DACCS durchaus Potenzial, falls genügend geologische Speicherkapazitäten für das abgeschiedene CO2 zur Verfügung stehen. Eine weitere Hürde: Noch benötigt die junge Technologie viel Energie und ist teuer. Ein Vorteil ist hingegen ihre Standortunabhängigkeit: Die Luftfilteranlagen können dort gebaut werden, wo sich das CO2 direkt vor Ort speichern lässt – zum Beispiel in Island, wo der Untergrund geeignet ist und wo mit der Geothermie auch genügend nachhaltige Energie für den Betrieb der Filteranlagen zur Verfügung steht. Nachteilige Auswirkungen von DACCS sind bisher keine bekannt. Die Schweiz könnte künftig negative Emissionen, die durch DACCS im Ausland erzielt werden, einkaufen.

Ansatz 5 - Beschleunigte Verwitterung von Zement und Gestein

Verwitterndes Gestein kann CO2 natürlich binden. Dieser Effekt lässt sich auch nutzen, wenn bei der Herstellung von neuem Beton statt Kies ein Granulat aus Abbruchbeton eingesetzt wird, das gezielt mit CO2 angereichert wurde. Diese sogenannte Rekarbonisierung hat Potenzial: Würde hierzulande der gesamte Abbruchbeton rekarbonisiert, liessen sich theoretisch jährlich bis zu 2,5 Mio. t CO2 dauerhaft speichern. Aussichtsreich dabei: Die chemische Bindung von CO2 in Abbruchbeton ist sehr stabil und daher lang anhaltend. Auch Risiken für Mensch und Umwelt sind bei dieser Methode bislang keine bekannt. In der Schweiz arbeiten das ETH-Start-up neustark oder Sika mit Hochdruck an Verfahren, um möglichst viel CO2 in wiederaufbereitetem Beton zu speichern. Auch Gesteine wie Silikate und Karbonate können CO2 aus der Atmosphäre binden. Dazu könnte man sie fein gemahlen auf der Erdoberfläche verteilen. Zuerst müssen die Auswirkungen dieser Methode auf die Umwelt aber in Feldversuchen geklärt werden.


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Letzte Änderung 01.06.2022

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