Lernprogramm Future Perfect: Damit Nachhaltigkeit im Betrieb ankommt

Das Online-Lernprogramm Future Perfect vermittelt Lernenden die Prinzipien der Kreislaufwirtschaft, damit sie diese in ihren Betrieben anwenden können. Die ersten Erfahrungen mit Pilotklassen stimmen positiv. «Future Perfect hat das Potenzial, angehende Berufsleute in grosser Zahl zu erreichen und damit einen wesentlichen Beitrag an umweltverträgliche, zukunftsfähige Lösungen zu leisten», sagt Andrea Bader vom BAFU.

Text: Peter Bader

Schülerinnen mit Future Perfect
Schülerinnen an der Schweizerischen Textilfachschule arbeiten mit dem Online-Lernprogramm Future Perfect.
© Roger Wehrli

Heute habe sie gelernt, wie Gemüse im Ausland geerntet und transportiert werde – zum Beispiel in die Schweiz. Das sei alles sehr aufwendig, ausserdem herrschten an manchen Orten schlechte Arbeitsbedingungen. «Für mich ist klar: Ich möchte das nicht mehr unterstützen und darum nur noch Produkte aus der Schweiz einkaufen.» So schreibt es Sinthuya Kanakeswaran in ihrem Lernjournal. Sie ist Lernende Textiltechnologin mit eidgenössischem Fähigkeitszeugnis (EFZ) im zweiten Ausbildungsjahr.

Philippe Pfister, ihr Klassenkamerad an der Schweizerischen Textilfachschule (STF) in Zürich, absolviert seine Ausbildung in einer Seilerei. Für seinen Betrieb hat er sich in der Berufsfachschule eine neue Idee ausgedacht: Bis anhin mussten Lasthaken dort auch dann komplett ausgetauscht werden, wenn nur die kleine Sicherungsvorrichtung nicht mehr richtig funktionierte. Seine Idee: «Wir wechseln jeweils nur dieses Sicherungs-Teil aus und sparen damit Geld und Material.» Das kam im Betrieb gut an.

Selbstständiges Arbeiten

Ihre Erkenntnisse und Ideen hatten die beiden im Rahmen des Online-Lernprogramms Future Perfect. Damit sollen Lernende während ihrer Berufsausbildung die Prinzipien der Kreislaufwirtschaft kennenlernen und Kompetenzen erwerben, um in ihrem Betrieb und ihrer Branche diesbezüglich etwas zu verändern. Das Programm durchlief an Berufsschulen in der Deutschschweiz während zweier Jahre eine Testphase. Eine davon fand an der Zürcher Textilfachschule statt. Dort kam das Programm in einem Semester im allgemeinbildenden Unterricht (ABU) zum Einsatz.

Lehrer Gallus Keller zieht eine positive Bilanz: «Das Lernprogramm kann bei den jungen Berufsleuten tatsächlich etwas verändern.» Die Schüler und Schülerinnen müssten sich intensiv und selbstständig mit dem komplexen Thema Kreislaufwirtschaft auseinandersetzen, weshalb sie am Ende die Materie auch tatsächlich verstünden. Dabei sei für die Lernenden bereits das Arbeiten mit ergänzenden Programmen eine wertvolle Erfahrung. «Sie sind mit ihren Smartphones zwar sehr flink, das Anwenden anderer Software ist aber auch für sie eine Herausforderung.»

Individuelles Arbeiten gehört zum didaktischen Ansatz des Programms: Die Schülerinnen und Schüler erarbeiten den Stoff selbstständig, jede und jeder schlägt das eigene Tempo an, wobei die Lehrperson bei Problemen als Coach zur Seite steht.

Nachhaltigkeit in der Pizzeria

 Als eine der Hauptaufgaben musste die Klasse der Zürcher Textilfachschule für die fiktive Pizzeria Toscana Massnahmen für mehr Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft erarbeiten und einführen: Wie lässt sich das Recyclingsystem beim Abfall verbessern? Inwiefern kann man erneuerbare Energien einsetzen? Können wir nur mit regionalen Produkten kochen und für den Lieferservice Elektrovelos anschaffen? Erhalten die Angestellten einen fairen Lohn? Und wie muss ein Flyer, mit dem man Gäste auf die neue Nachhaltigkeitsstrategie der Pizzeria aufmerksam macht, gestaltet sein? Die Lernenden teilten sich die Themen auf und lösten weitere Aufgaben zu grundlegenden Fragen der Kreislaufwirtschaft. Am Schluss mussten sie das Gelernte in ihrem Unternehmen anwenden und dort Verbesserungen in Sachen Kreislaufwirtschaft anregen, inklusive einer Präsentation – also zum Beispiel einen sparsameren Umgang mit Lasthaken in einer Seilerei. Das Programm, sagt Gallus Keller, sei sehr praxisnah und spreche die jungen Leute an. «Eine wirklich gute Sache.»

Das freut Martin Räber, Geschäftsleiter des Nachhaltigkeitsbüros Eartheffect, welches das Programm entwickelt hat. Kompetente Berufsleute seien einer von mehreren Trümpfen der Schweiz, ist er überzeugt. Sie stärkten die Innovationskraft der Unternehmen. «Es ist deshalb naheliegend, in der beruflichen Grundbildung anzusetzen, um den Werkplatz Schweiz für die Herausforderungen der Ressourcenknappheit und des Klimawandels fit zu machen.» Im Zusammenhang mit anderen Projekten, ergänzt Martin Räber, hätten sie allerdings festgestellt, dass es in der Berufsbildung noch kaum Angebote in Sachen Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft gebe. Deshalb startete das Beratungsbüro aus Olten (SO) 2018 das Pilotprojekt mit dem Lernprogramm Future Perfect an fünf Berufsschulen mit rund 1000 Lernenden. «Von Anfang an war klar, dass Handlungskompetenzen im Zentrum stehen müssen», sagt Martin Räber. «Die jungen Leute sollen also etwas lernen, das sie in ihren Betrieben und in ihrem Alltag direkt anwenden können.»

Unterstützung durch das BAFU

Nach der zweijährigen Pilotphase ist nun ein umfangreiches Update des Lernprogramms erschienen, das sich auch an Berufsmaturitätsschulen richtet. Derzeit kommt es an 10 Schulen in der ganzen Deutschschweiz zum Einsatz. Eine französische Übersetzung ist geplant. Das Programm bietet eine digitale Lernumgebung mit fertigen Inhalten, die sich bedarfsgerecht und individualisiert einsetzen lassen. Es wird in den allgemeinbildenden Unterricht integriert und ist in den Rahmenlehrplan eingebettet. Bei éducation21 – dem nationalen Kompetenz- und Dienstleistungszentrum für Bildung für Nachhaltige Entwicklung (BNE) in der Schweiz – können Schulen ein Gesuch zur Übernahme der halben Einführungskosten des Programms stellen. An dessen Erarbeitung war auch das BAFU finanziell beteiligt. «Future Perfect hat das Potenzial, angehende Berufsleute in grosser Zahl zu erreichen und damit einen wesentlichen Beitrag an umweltverträgliche, zukunftsfähige Lösungen zu leisten», ist Andrea Bader von der BAFU-Sektion Umweltbildung überzeugt.

Kreislaufwirtschaft spart Ressourcen

Ziel der Kreislaufwirtschaft oder «Circular Economy» ist es, Produkte und Rohstoffe über den gesamten Lebenszyklus umweltschonend, effizient und möglichst lange zu nutzen. Reparaturen, Wiederaufbereitung, Wiederverwendung und das Teilen («Sharing Economy») sowie die anhaltende Nutzung noch brauchbarer Güter verlängern deren Lebensdauer. Lässt sich ein Produkt nicht mehr verwenden, stellt das Recycling einen geschlossenen Stoffkreislauf sicher. Wichtig ist, dass keine umweltschädlichen Materialien in den Kreislauf gelangen. Das Produktdesign hat deshalb einen sehr grossen Einfluss auf die Umweltbelastung entlang des gesamten Lebenszyklus.

Entscheidende Kriterien sind dabei der Einsatz von umweltfreundlichen Materialien, die Reparierbarkeit, Trennbarkeit sowie eine effiziente Energienutzung. Damit unterscheidet sich die Kreislaufwirtschaft von den derzeit noch verbreiteten linearen Produktionsprozessen. In einem linearen Wirtschaftssystem werden Rohstoffe abgebaut, Produkte hergestellt, verkauft, konsumiert und weggeworfen. Dies führt zu Rohstoffverknappung, Emissionen, grossen Abfallmengen und damit verbundenen Umweltbelastungen.

Die Schweiz als rohstoffarmes Land verfolgt bereits seit Mitte der 1980er-Jahre Ansätze hin zu einer Kreislaufwirtschaft. Und es ist ihr gelungen, gewisse Kreisläufe zumindest teilweise zu schliessen. Zum Beispiel wurden im Jahr 2018 von 17,5 Millionen Tonnen Rückbaumaterialien wie Beton, Kies, Sand, Asphalt und Mauerwerk knapp 12 Millionen Tonnen wiederverwertet. Bei den Siedlungsabfällen wird etwas mehr als die Hälfte der Abfälle separat gesammelt und stofflich verwertet. Der hohen Recyclingquote der Schweiz steht allerdings eine gewaltige Abfallmenge gegenüber. In kaum einem anderen Land fällt gemessen an der Wohnbevölkerung derart viel Siedlungsabfall an. Auf dem Weg zu mehr Kreislaufwirtschaft bleibt deshalb noch einiges zu tun. Es enden nach wie vor zu viele funktions- oder zumindest reparierfähige Produkte in der Kehrichtverbrennungsanlage oder im Recyclingprozess. Auch Letzterer lässt sich noch ausweiten und optimieren. So könnte unsere Gesellschaft beispielsweise bei Textilfasern, Kunststoffen und biogenen Abfällen künftig einen höheren Anteil dieser Materialien im Kreislauf halten. Seit einigen Jahren wird das Prinzip der Kreislaufwirtschaft von Unternehmen immer öfter berücksichtigt.

Für eine funktionierende Kreislaufwirtschaft spielen auch die Kundinnen und Konsumenten eine wichtige Rolle. Sie können zum Wandel beitragen, indem sie nachhaltig konsumieren und Produkte möglichst lange nutzen.

Eine wichtige Rolle spielen zudem unterstützende regulatorische Rahmenbedingungen. So diskutiert die Umweltkommission des Nationalrates zurzeit eine Gesetzesanpassung mit der parlamentarischen Initiative «Schweizer Kreislaufwirtschaft stärken». Dabei werden auch die Entwicklungen in der EU berücksichtigt, wo im Rahmen des Aktionsplans für die Kreislaufwirtschaft aktuell Massnahmen entwickelt werden.

Weiterführende Informationen

Kontakt
Letzte Änderung 24.02.2022

Zum Seitenanfang

https://www.bafu.admin.ch/content/bafu/de/home/dokumentation/magazin/magazin2022-1/lernprogramm-future-perfect.html