Wasser clever nutzen

Was in trockenen Ländern längst selbstverständlich ist, wird auch in der Schweiz zum Thema: Dank guter Organisation und neuer Technologien wird die Ressource Wasser haushälterisch genutzt.

Texte: Kaspar Meuli

Halle mit den Cherry-Tomaten
Firma Bösiger in Niederbipp (BE): Die Halle mit den Cherry-Tomaten ist so gross wie drei Fussballfelder.
© Flurin Bertschinger | Ex-Press | BAFU

«Das könnte die Salatproduktion der Zukunft sein», sagt Beat Bösiger, öffnet die Türe zum «Tunnel 8» und gibt den Blick frei auf eine der Testanlagen seines Grossbetriebs in Niederbipp (BE). Auf Metallgestellen sind hier in bequemer Hüfthöhe Kunststoffkanäle montiert, in denen eine Nährstofflösung zirkuliert. «Verglichen mit den Salaten, die wir auf dem Feld anbauen, braucht dieses System nur noch 10 bis 20 Prozent so viel Wasser», erklärt Gemüseproduzent Beat Bösiger und greift nach einem der Köpfe. Genauer gesagt sind es drei Salatköpfe unterschiedlicher Farbe, die hier aus Substratwürfeln heranwachsen. Sie stehen direkt in der Bewässerungsrinne. Hydroproduktion nennt sich die Anbaumethode und Trio das neue Produkt Lollo rot, Lollo grün und Eichblatt rot.

Die wassersparende Hors-sol-Produktion von Salaten ist für die Firma Bösiger mit ihren je nach Saison bis zu 180 Mitarbeitenden erst ein Versuch, Tomaten hingegen werden hier in gigantischen Gewächshäusern bereits seit 25 Jahren auf diese Weise angebaut. Die Halle mit den Cherry-Tomaten etwa ist so gross wie drei Fussballfelder. Rund 80 000 Pflanzen wachsen in diesem domestizierten Tomaten-Dschungel. Sie sind bis unter das Glasdach aufgebunden und dicht behängt mit Rispen voller Früchte in allen Farbschattierungen zwischen Knallgrün und saftigem Rot. Bewässert wird hier den ganzen Tag über, jede Pflanze wird mit einem grauen Schläuchlein direkt an den Wurzeln mit Wasser und Dünger versorgt. Früher floss das überflüssige Wasser ungenutzt in den Boden, heute gelangt es vollständig rezykliert in einen geschlossenen Kreislauf zurück. «Wasser ist nicht endlos verfügbar», betont Beat Bösiger. «Wir sind in dieser Hinsicht viel sensibler geworden.»

Mehr Bedarf, weniger Wasser

Ein Gemüsebau betrieb wie die Bösiger Gemüsekulturen AG ist ohne künstliche Bewässerung nicht denkbar. Die Schweizer Landwirtschaft als Ganzes hingegen funktioniert zum allergrössten Teil mit dem Wasser, das als Regen vom Himmel fällt. Nur 5 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche werden saisonal bewässert. Am verbreitetsten ist das Bewässern übrigens im Wallis, wo Wiesen mithilfe der traditionellen Suonen künstlich beregnet werden. Viel Wasser braucht es auch im Seeland, der Gemüsekammer der Schweiz. Doch nicht nur Wiesen im inneralpinen Raum und sogenannte Spezialkulturen wie Gemüse, Früchte und Beeren sind permanent auf Wasser angewiesen, bewässert werden auch Kartoffeln und Mais.

Noch hängen in der Schweiz also relativ wenig Kulturen am Tropf. Doch das könnte sich mit zunehmenden Temperaturen und häufigeren Trockenperioden ändern, wie die Resultate des Projekts Hydro-CH2018 zeigen. Der Klimawandel beeinflusst die Bewässerung, da der Bedarf der Pflanzen nach zusätzlichem Wasser steigt und gleichzeitig das Wasser dargebot abnimmt. Kommt dazu, dass Spezialkulturen in der Landwirtschaftan Bedeutung gewinnen. In den letzten Jahren haben allein die Anbauflächen für Gemüse um rund ein Viertel zugenommen.

Trockenperioden ändern, wie die Resultate des Projekts Hydro-CH2018 zeigen. Der Klimawandel beeinflusst die Bewässerung, da der Bedarf derPflanzen nach zusätzlichem Wasser steigt und gleichzeitig das Wasserdargebot abnimmt. Kommt dazu, dass Spezialkulturen in der Landwirtschaftan Bedeutung gewinnen. In den letzten Jahren haben allein die Anbauflächen für Gemüse um rund ein Viertel zugenommen.

Wasser im Wurzelraum helfen, Bewässerungszeitpunkt und -menge zu optimieren. «Es hat sich gezeigt, dass Bodensonden ein geeignetes Hilfsmittel sind, um zu messen, wann die Pflanzen wie viel Wasser brauchen», sagt Andreas Keiser, Dozent für Ackerbau und Pflanzenzüchtung an der HAFL. Wie viel Wasser sich dank besserer Entscheidungsgrundlage tatsächlich einsparen lässt, wird zurzeit in einem Forschungsvorhaben im Kanton Waadt ermittelt.

Sonden messen Feuchtigkeit

Wasser clever nutzen bedeutet aber nicht nur effiziente Bewässerungssysteme und ausgefeilte Messtechnologie. Auch die Organisation lässt sich verbessern. So schliessen sich beispielsweise Landwirtschaftsbetriebe zu Bewässerungsgenossenschaften zusammen, da so der Aufbau und Unterhalt der entsprechenden Infrastruktur wirtschaftlicher wird. Ein viel diskutiertes Thema sind auch neue, klimaangepasste Sorten oder Kulturen allerdings nicht bloss des sparsameren Einsatzes von Wasser wegen. Längere Vegetationszeiten und höhere Temperaturen bieten den Bauern und Bäuerinnen auch Chancen. «Es können sich Potenziale für den Anbau neuer Sorten und Kulturen eröffnen», sagt Annelie Holzkämper von Agroscope, dem Kompetenzzentrum der Schweiz für landwirtschaftliche Forschung. Kulturen und Sorten, die von steigenden Temperaturen profitieren, so die Spezialistin für Klimawandel und Landwirtschaft, seien allerdings nicht grundsätzlich besser an Trockenheit angepasst. Unter Umständen könnte der Wasserverbrauch für Bewässerung gar ansteigen. Dies, wenn die verlängerte Vegetationsperiode durch den Anbau von spätreifen Sorten mit höherem Ertragspotenzial genutzt würde. Frühreifere Sorten hingegen zeigten ein Potenzial zum Wasser sparen, da sie noch vor den Trockenheitsphasen geerntet werden könnten.

Bereits heute ist die Landwirtschaft nach Angaben des Schweizerischen Vereins des Gas- und Wasserfaches (SVGW) einer der Wirtschaftszweige, die am meisten Wasser verbrauchen. Doch nur der kleinste Teil dieses Wassers stammt aus der Trinkwasserversorgung. Die meisten Bauern beziehen das Wasser aus eigenen Quellen und brauchen es nicht zum Bewässern, sondern in erster Linie zur Speisung ihrer Hof- und Weidebrunnen.

Ein Doodle für die Trockenphasen

Zurück zur Bösiger Gemüsekulturen AG in Niederbipp. Das Wasser, welches das Gemüse im Freien und unter Glas zum Spriessen bringt, pumpt das Unternehmen aus sechs eigenen Grundwasserfassungen sowie aus der Dünneren, einem Nebenflussder Aare. Dazu braucht es in beiden Fällen eine Konzession. Zur Wasserentnahme aus der Dünneren hat der Kanton Solothurn rund einem Dutzend Landwirten eine Bewilligung erteilt. Normalerweise ist genug Flusswasser für alle da, doch in langen Trockenphasen verfügt der Kanton ein Bewässerungsregime, und es dürfen nicht mehr als drei Konzessionäre gleichzeitig Wasser fördern. Werwann pumpen darf, legen die Bauern mittels einer Doodle-Umfrage selbst fest.

Vom Gemüseacker ins traute Heim. Der private Wasserkonsum hat in den vergangenen Jahrzehnten stetig abgenommen. Seit 1980 ist der Verbrauch pro Kopf um fast 200 Liter pro Tag zurückgegangen und beträgt heute noch rund 300 Liter. Die Gründe für den Verbrauchsrückgang sind laut einer Studie des SVGW vielfältig sie reichen vom gestiegenen Umweltbewusstsein über Wasserspartechnik bis zur Ernährung: Weil wir mehr Fertig- und Halbfertigprodukte konsumieren, braucht es weniger Wasser fürs Kochen, Rüsten und Abwaschen.

Grösste Wasserkonsumentin der Schweiz ist mit einem Anteil von knapp einem Drittel die Indus­trie, darunter vor allem die Chemie- und Pharmabranche. Doch auch hier nimmt der Verbrauch tendenziell ab. Wasserintensive Industriezweige sind verschwunden, haben ihre Produktion ins Ausland verlegt oder rezyklieren Wasser.

Tatsächlich haben sich viele Unternehmen im Rahmen ihrer Nachhaltigkeitsbemühungen den sparsameren Umgang mit Wasser auf die Fahne geschrieben. Doch Wasser ist auch ein Kostenfaktor. Bei den Produktionsbetrieben der Migros etwa rechnet man mit Kosten von 4 Franken für 1000 Liter Trinkwasser samt dessen Entsorgung. Bei Betrieben, die Millionen Liter an Wasser im Jahr verbrauchen zum grössten Teil übrigens für Reinigungsprozesse in der Produktion, fällt das ins Gewicht. So hat beispielsweise der Migros-Betrieb Micarna in seinem Geflügelschlachthof in Courtepin (FR) ein entsprechendes Projekt umgesetzt, durch das sich rund 20 Millionen Liter Wasser pro Jahr einsparen lassen. 

Anpassung an den Klimawandel

Der haushälterische Umgang mit Wasser ist auch im Pilotprogramm des Bundes «Anpassungan den Klimawandel» ein wichtiges Thema. Unter anderem werden darin Wissensgrundlagen, Planungen und Strategien mit Blick auf das Wasser und die Landwirtschaft erarbeitet. Ein wichtiges Stichwort sind zudem lokale und regionale Wasserspeicher. Mit ihrer Hilfe liesse sich zum Beispiel im Jura bewässern, wenn Bäche und Flüsse zu wenig Wasser führen. Auch ein Projekt im Val de Bagnes im Unterwallis untersucht die mögliche Rolle von Mehrzweck-Wasserspeichern für die Bewässerung. Die existierenden Speicher werden für Kunstschnee, Wasserkraft oder Trinkwasser genutzt, aber kaum zur Bewässerung.

Auch in der Nescafé-Fabrik in Orbe (VD) wurde der Wasserverbrauch erheblich reduziert. Früher entnahm man das Wasser dem nahen Fluss und leitete es nach einmaligem Gebrauch wieder zurück. Seit ein paar Jahren jedoch wird das Wasser in einem geschlossenen Kreislaufsystem wiederverwendet. So liess sich der Verbrauch um 32 Prozent senken. Nestlé betreibt an diversen Standorten im Ausland gar «Zero Water» Fabriken. Die innovativen Produktionsstätten für Milchpulver beziehen ihr Wasser nicht von aussen, sondern entziehen es der verarbeiteten Milch.

Zum Schluss noch einmal nach Niederbipp in die Gewächshäuser von Beat Bösiger. Wie stark fallen die Wasserkosten eigentlich hier ins Gewicht? «Nicht das Wasser ist teuer», erklärt der Gemüseproduzent, «sondern die Infrastruktur und all die Arbeit, welche für die Bewässerung nötig ist.» Da müssen Rohre verlegt, Pumpen unterhalten und Steuerungen überwacht werden. Und damit das aus 40 Metern Tiefe geförderte Grundwasser nicht die Ventile der Tröpfchenbewässerung verstopft, musses zuerst aufbereitet werden. Doch ein Gemüseunternehmer weiss, wie wichtig eine reibungslose Wasserzufuhr ist. «Könnten wir nicht bewässern», erklärt Beat Bösiger, «hätten wir einen totalen Ernteausfall. Wir sind gezwungen, uns mit dem Thema Wasser auseinanderzusetzen.»

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Letzte Änderung 25.11.2020

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