28.10.2021 – Die flächendeckende Einführung des elektrischen Lichts gilt als einer der grossen Fortschritte des 20. Jahrhunderts: Licht dient etwa der Orientierung und kann dazu beitragen, das Sicherheitsgefühl in der Nacht zu erhöhen. Aber die Kehrseite der Medaille heisst Lichtverschmutzung. Eine weltweite Umweltbelastung, welche negative Folgen hat für Tiere, Pflanzen und Menschen. Wie kann man also die Dunkelheit schützen, und gleichzeitig für eine qualitativ gute und umweltbewusste Beleuchtung sorgen?
Mehr Dunkelheit in der Nacht für die Natur und die Menschen
In den letzten 25 Jahren haben sich die Lichtemissionen in der Schweiz mehr als verdoppelt. Leuchtreklamen, Beleuchtungen von Strassen, Sportanlagen, Bahnhöfen, aber auch von Bürohäusern, Fabrikhallen und anderen Arbeitsplätzen sind nur einige Beispiele für zunehmendes künstliches Licht in der Nacht. Dessen negative Einflüsse auf die Natur sind in zahlreichen Untersuchungen nachgewiesen worden: So gehen Fledermäuse später auf die Jagd und haben weniger Zeit für die Nahrungssuche. Zugvögel können die Orientierung in Lichtglocken über den Städten verlieren und Amphibien oder Säugetiere werden in ihrem normalen Lebensablauf (Nahrungssuche, Fortpflanzung, usw.) gestört. Viele Insekten werden durch künstliche Lichtquellen beeinflusst, so flattern einige bis zur Erschöpfung um die Lichtquelle herum, während andere das Licht meiden, was ihren Lebensraum verkleinert.
Wie die Tiere leiden auch Pflanzen stark unter der Lichtverschmutzung. Bäume, die neben Strassenlaternen stehen, treiben im Frühling oft zu früh aus und werden dann vom Frost überrascht und geschädigt. Das Gleiche passiert im Herbst, wenn die Bäume wegen der künstlichen Lichtquelle ihre Blätter zu spät abwerfen.
Die zunehmende Lichtverschmutzung beeinträchtigt aber auch das Wohlbefinden der Menschen. Eine Beleuchtung, die nicht nur die Einfahrt, sondern auch das Schlafzimmer erhellt, oder eine übertrieben helle und blinkende Weihnachtsbeleuchtung können negative Wirkungen auf unser Wohlbefinden haben, bis hin zu Schlafstörungen. Aber woran erkennt man, dass zu viel Licht vorhanden ist und wie kann man die Lichtemissionen reduzieren, ohne auf die Vorteile von künstlichem Licht verzichten zu müssen?
Die nach oben gerichteten und reflektierten Lichtemissionen haben sich zwischen 1994 und 2020 mehr als verdoppelt. Besonders deutlich haben sich die Lichtemissionen in den Ballungsgebieten verstärkt, aber auch in den Randregionen nimmt die Dunkelheit ab.
Kein Licht, wo es unnötig ist
Der wichtigste Grundsatz beim Umgang mit künstlichem Licht ist, nur dort zu beleuchten, wo es Licht braucht. Umgekehrt bedeutet das auch, dort für Dunkelheit zu sorgen und auf eine Beleuchtung zu verzichten oder sie zu entfernen, wo kein Licht nötig ist. Dies gilt insbesondere im Naturraum. Besondere Aufmerksamkeit erfordern Schutzgebiete nahe am Siedlungsrand oder Ufer von Flüssen und Seen. «Es ist wichtig, dass ausreichend grosse dunkle Gebiete in der Landschaft und Korridore zu ihrer Verbindung erhalten oder geschaffen werden. Auf diese Weise können sich nachtaktive Tiere freier bewegen und ihre Lebensräume bleiben auch nachts miteinander verbunden», erklärt Danielle Hofmann, wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Sektion Wildtiere und Artenförderung des Bundesamts für Umwelt BAFU.
Wenn dagegen beleuchtet werden muss, sind unnötige Lichtemissionen in erster Linie mit Massnahmen an der Quelle zu begrenzen, ergänzt Alexander Reichenbach, Chef der Sektion Nichtionisierende Strahlung des BAFU. «Mit einfachen Mitteln können alle – Beleuchtungsverantwortliche, Behörden aber auch Privatpersonen – ihren Beitrag zur Reduzierung der Lichtverschmutzung leisten, zum Beispiel dank einer präziseren Ausrichtung des Lichtes oder indem eine lichtstarke durch eine lichtschwächere Lampe ersetzt wird. Bei der Herausforderung der Lichtverschmutzung geht es nicht nur um die Entwicklung der Beleuchtungstechnik, sondern auch darum, wie sich Situationen verändert haben, die vor 15 Jahren noch weniger problematisch waren».
Ein Beispiel hierfür sind Sportplatzbeleuchtungen. Aufgrund von – durchaus sinnvollen – Siedlungsverdichtungen rücken Sportanlagen und Wohnhäuser immer näher zueinander. Und um die Plätze intensiver und länger im Jahr nutzen zu können, werden sie vielerorts mit Kunstrasen und Beleuchtung ausgerüstet. Diese kann in der Umgebung zu erheblichen Lichtimmissionen führen. Im folgenden Video wird gezeigt, wie man die Lichtimmissionen deutlich reduzieren kann.
«Wenn man über Lichtverschmutzung spricht, wird oft vergessen, dass künstliche Lichteinwirkungen auch tagsüber zu Belästigungen und Beschwerden führen können, etwa durch Reflexion von Sonnenlicht an Fassaden, Fensterflächen oder Solaranlagen», präzisiert Reichenbach. Während in der Nacht Bewegungsmelder, Zeitschaltuhren oder eine warme Lichtfarbe wertvolle Verbündete bei der Reduzierung von Lichtemissionen sein können, ist die Situation – und die möglichen Lösungen – am Tag anders.
Umweltverträglich Beleuchtung: Vollzugshilfe «Empfehlungen zur Vermeidung von Lichtemissionen»
Aber wie wissen Behörden oder auch Privatpersonen, was bei der Ausgestaltung und Beurteilung von Beleuchtungen zu beachten ist, damit sie möglichst umweltverträglich sind? Das Bundesamt für Umwelt BAFU hat dafür die Vollzugshilfe «Empfehlungen zur Vermeidung von Lichtemissionen» auf den neuesten Stand gebracht. Sie enthält Anleitungen wie den 7-Punkte-Plan, die Relevanz-Matrix und konkrete Beispiele. Eine «Checkliste» ermöglicht es zudem, Beanstandungen nach einheitlichen Kriterien zu beurteilen.
«Für die Beurteilung der Schädlichkeit oder Lästigkeit von Lichteinwirkungen auf den Menschen gelten keine gesetzlichen Grenzwerte», erklärt Reichenbach, «daher müssen die Behörden im Einzelfall selbst beurteilen, wann Lichtimmissionen als schädlich oder lästig einzustufen sind. Die Vollzugshilfe hilft dabei: Sie definiert Richtwerte für die Beurteilung, ob künstliches Licht, das Wohnraum aufhellt oder blendet, die Menschen erheblich stört».
Von der Strassenbeleuchtung bis zur Beleuchtung von Sportplätzen oder historischen Gebäuden – letztlich geht es darum, ein Gleichgewicht zwischen notwendiger Beleuchtung und Umweltschutz zu finden. Dieses Gleichgewicht kann oft durch eine Kombination von Massnahmen erreicht werden: Nur so viel Licht vorsehen wie nötig (nicht zuletzt, um Energie zu sparen), verbindliche Betriebszeiten festlegen oder das Licht noch präziser ausrichten.
Die Behörden aber auch alle, die an der Planung, dem Bau oder dem Betrieb von Beleuchtungen beteiligt sind, müssen für konkrete Situationen die geeigneten Massnahmen zur Verringerung der Lichtverschmutzung entwickeln, ohne gleichzeitig auf die Vorteile des Lichts verzichten zu müssen. Dabei können sie sich auf die Vollzugshilfe stützen. Dies nicht zuletzt, weil eine Reduktion der Lichtemissionen – bei Nacht und am Tag – nicht nur dem Schutz der natürlichen Umwelt, sondern direkt auch der Lebensqualität der Bevölkerung dient.
Empfehlungen zur Vermeidung von Lichtemissionen
Stand 2021. 2021
Weiterführende Informationen
Letzte Änderung 28.10.2021